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GRAMMARLY AUF DEM PRÜFSTAND SOLLTEN AKADEMIKER GRAMMARLY ZUM LEKTORAT IHRER WISSENSCHAFTLICHEN ARBEIT VERWENDEN?

IST EIN LEKTORAT DURCH EINEN ALGORITHMUS SINNVOLL?

Bearbeitung durch Algorithmus?

In den letzten Jahren hat die Grammarly-Werbung die Medienlandschaft dominiert, unter anderem mit astronomisch teuren Werbespots während des Superbowls sowie zielgerichteter Online-Werbung. Das clevere Marketing veranlasst viele Menschen dazu, ihre schriftliche Kommunikation einer automatisierten, aber dennoch irgendwie fachkundigen  Prüfung durch Grammarly zu unterziehen. Schließlich wird ja behauptet, dass Grammarly weit über die standardmäßige Grammatik- und Rechtschreibprüfung von Textverarbeitungsprogrammen hinausgehe. Es erkennt nicht nur offensichtliche Fehler, sondern kann auch Vorschläge zu Stil und Verwendung liefern. Von Studienarbeiten bis zu Geschäftsemails kann alles deutlich verbessert werden. Die kostenlose Version lockt die Nutzer:innenverweist ständig auf die unzähligen Leistungen, die durch eine monatliche Gebühr von 29.99 USD auf Grammarly Premium freigeschaltet werden können. Auf den ersten Blick ist das alles sehr vielversprechend.

Aber wird der ganze Hype durch die praktische Nutzererfahrung bestätigt? Und vielmehr, sollten Akademiker bedenkenlos ihre Lektoren durch die neueste Generation von Algorithmen und Automatisierung ersetzen? Ich beschloss, die Recherche zu Grammarly genauer zu untersuchen. Es ist anzumerken, dass Online-Bewertungen der Nutzer im Allgemeinen positive ausfallen: Sie begrüßen die einfache und automatische Bearbeitung die Grammarly bietet, zumal wenn sie kostenlos ist.

Was die akademische Forschungsgemeinschaft von der Software hält

Die akademische Forschung ist von der Leistungsfähigkeit von Grammarly jedoch weniger begeistert. Zwar schätzen Dozenten die Zeit, die sie damit beim Korrigieren sparen, ihre Untersuchungen über die Anwendung des Programms haben allerdings aufgezeigt, wo dessen Begrenzungen und Nachteile liegen. So fand z. B. Svetlana Koltovskaia, dass sich Studierende mit begrenzten Englischkenntnissen zu sehr auf das automatisierte Feedback beim Schreiben verlassen. Ruth O'Neill und Alex M.T. Russell haben festgestellt, dass Dozenten Grammarly für ihre Studierenden als hilfreich ansehen, dass aber diese Dozenten weiterhin unerlässlich sind, um zu vermeiden, dass die Studenten ungeeignete „Korrekturen“ übernehmen.

Stellen wir Grammarly auf die Probe

Um dieser Frage weiter auf den Grund zu gehen, habe ich mir mein eigenes Grammarly-Konto eingerichtet und es selbst ausprobiert. Die Notwendigkeit, Grammarlys Vorschläge auf ihre Richtigkeit hin überprüfen zu müssen empfand ich tatsächlich als die größte Hürde für Ungeübte, besonders für diejenigen, die die englische Sprache erst lernen. Nachdem ich ein Dokument auf die Webseite hochgeladen hatte—es gibt verschiedene Möglichkeiten, die eigenen Texte von Grammarly lesen zu lassen, wie das Hochladen von Dokumenten, das Ausschneiden und Einfügen von Webseiten und Browsererweiterungen—erhielt ich umgehend Feedback zu Änderungsvorschlägen, die die Lesbarkeit verbessern und einige grammatikalische Probleme beheben würden. So wurde zum Beispiel, „My main interest were the buildings“ korrekt als falsche Verbübereinstimmung markiert. „Das Verb were scheint nicht mit dem Subjekt übereinzustimmen. Es wäre sinnvoll, die Verbform zu ändern“. Manchmal führte das Feedback aber auch zu neuen Wortverwirrungen. Für den Satz, der mit „These faiths, contrarily to Christianism and Judaism,…“ begann, schlug Grammarly vor, „contrarily“ auf „contrary“ zu ändern. Aber das löst das Problem nicht wirklich; „in contrast to“ wäre angemessener, nicht „contrary to“. Und das Wort „Christianism“ hätte als Fehler markiert werden müssen—sogar Google fragt mich: „Did you mean Christianity?“, wenn ich dieses Wort eingebe. Grammarly äußerte sich zu diesem Thema nicht.

Verbesserungsvorschläge, die neue Fehler erzeugen

Grammarly erinnerte mich manchmal an einen übereifrigen Peer-Editor, dessen Ehrgeiz, sein Wissen zu demonstrieren, zu einem völlig überarbeiteten Aufsatzentwurf führt, der den Autor mehr verwirrt als ermutigt. So wurde zum Beispiel zu einem Satz, der mit „This change in social structure...“ beginnt (eine durchaus angemessene Formulierung), der wenig sinnvolle Vorschlag gemacht, einen Artikel hinzuzufügen: „Dem Substantiv social structure scheint ein Bestimmungswort vor dem Satz zu fehlen. Erwägen Sie, einen Artikel hinzuzufügen“. An anderer Stelle des Artikels schlug Grammarly vor, den anthropologischen Fachbegriff „matricultures“ in „mariculture“ zu ändern, ein Wort mit einer vollkommen anderen Bedeutung (und auch in der Singularform anstelle des ursprünglichen Plurals). Das Markieren von Ausdrücken und Sätzen, die korrekt geschrieben sind, ist nicht nur nicht hilfreich, sondern kann auch dazu führen, dass neue Fehler entstehen, die es ursprünglich nicht gab.

Überdies war Grammarly mit bibliographischen Einträgen und Fremdwörtern etwas überfordert und machte Vorschläge für Satzzeichen und Schreibweisen, die Fehler herbeigeführt und nicht korrigiert hätten.

Wie sicher ist die Forschungsarbeit, die Sie teilen?

Ich persönlich habe auch Bedenken bei der Vorstellung, Inhalte mit einem gewinnorientierten Unternehmen zu teilen. Grammarly verfügt über eine äußerst solide Datenschutzrichtlinie, die die Bedenken der Nutzer hinsichtlich des Data Mining angemessen behandeln sollte. Sie weisen jedoch auch darauf hin, dass sich die Richtlinie ändern kann und dass die Nutzer zwar über etwaige Änderungen informiert werden, die weitere Nutzung der Grammarly-Dienste jedoch als Zustimmung zu der neuen Richtlinie betrachtet wird. Es ist zwar höchst unwahrscheinlich, dass mühsam erstellte Manuskripte in die falschen Hände geraten, aber selbst eine vage Vorstellung davon macht mich nervös.

Ein abschließender Hinweis: Leser sollten gegenüber objektiv erscheinenden Online-Rezensionen vorsichtig sein, wie etwa diese Rezension (die mit Grammatikproblemen übersät ist) auf der Website Become a Writer Today. Grammarly bietet attraktive Prämien, um Partner zu werden. Gegenwärtig zahlt Grammarly jedes Mal 20 USD, wenn sich jemand über einen von einem Partner bereitgestellten Link für ein Premium-Konto anmeldet. Auf diese Weise entsteht eine Vielzahl professioneller Autoren, die die Produkte eines anderen Unternehmens, mit wenig Aufwand für Grammarly, anpreisen.

Die Vorteile eines professionellen akademischen Lektors

Grammarly spielt sicherlich eine wichtige Rolle im Ökosystem der Schreibverbesserung. Es bietet weitaus mehr Unterstützung und detaillierteres Feedback als die Grammatikprüfer in Textverarbeitungsprogrammen älterer Semester. In vielen Fällen können damit Fehler aufgedeckt werden, die das Niveau des Textes herabsetzen. Für eine gründliche Überprüfung, die Korrekturen auf Satzebene mit fundierterem Feedback kombiniert und den Autor nicht im Unklaren darüber lässt, welche Vorschläge richtig sind und welche ignoriert werden sollten, ist es jedoch nach wie vor am besten, einen professionellen Lektor mit einschlägigem Fachwissen hinzuzuziehen—vor allem für Autoren, deren Englischkenntnisse noch nicht ausgereift sind.

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